Sonntag, 7. Dezember 2014

Rollentausch: Ibrakadabra im Interview

**Für ein journalistisches Seminar an der Uni Bamberg stand ich Nachwuchsjournalist Dennis Haas Rede und Antwort. Im Interview geht es um die Extremerfahrung Marathon.**
 

"Alles entscheidet sich im Kopf"

  
Marathon: Was es wirklich bedeutet, 42,195 Kilometer am Stück zu rennen.

Ibrahim Naber, 22, ist Student und ambitionierter Hobbyläufer aus Tübingen. Er ist vor kurzem den Marathon in Frankfurt gelaufen und erzählt von seinem Training, seiner Ernährung, sowie vom Kampf mit sich selbst während des Laufs.

Dennis Haas (DH): Die meisten von uns sind noch nie einen Marathon gelaufen. Wie bereitet man sich auf etwas so Großes eigentlich vor?
Ibrahim Naber (IH): Ein Marathon bedeutet generell eine harte und gründliche Vorbereitung. Mindestens 10 Wochen sollten es sein, wenn man eine gute Grundfitness hat. Ansonsten muss man sich ein halbes Jahr lang vorbereiten und das ist dann auch wirklich das Mindestmaß. Ein Marathon ist selbst für erfahrene Sportler eine Extrembelastung und deswegen ist die Art und Weise des Trainings extrem wichtig. Denn man kann natürlich fünfmal die Woche trainieren, sehr viel Zeit investieren und trotzdem alles falsch machen.

DH: Was ist denn beim Training wichtig, auf was achtest Du besonders?
IH: Ich bin ein ambitionierter Läufer. Meinen ersten Halbmarathon hatte ich mit 14. Ich hatte mich damals ohne das Wissen meiner Eltern angemeldet und bin dann im Koma gelandet…

DH: Was ist denn passiert?
IH: Ich war nicht richtig vorbereitet, extrem übermotiviert und hatte mir das Ziel gesetzt unter 1 Stunde 50 Minuten zu bleiben, was für den ersten Halbmarathon keine Zielsetzung sein darf. Beim ersten Mal geht es einfach darum ins Ziel zu kommen. Ich bin also, unter dem Vorwand meine Großeltern zu besuchen, nach Karlsruhe gefahren und bin gelaufen. Ich habe früh gemerkt, dass es mit der Zielzeit eng wird. Ab Kilometer 14 hatte ich dann so einen seifigen Geschmack im Mund, weil ich wie in einem Tunnel war und nichts mehr getrunken habe.
Ich habe also jeden Anfängerfehler gemacht, den man machen kann: Nichts gegessen, nichts getrunken, zu schnell losgelaufen und am Ende einfach nicht auf meinen Körper gehört. Ungefähr 200 Meter vor der Zielgeraden ist mir dann schwarz vor Augen geworden, ich bin von links nach rechts getaumelt und wurde dann von zwei anderen Läufern über die Zielmatte geschleift. Es gibt Bilder davon. Irgendwann später bin ich dann im Krankenhaus aufgewacht.

DH: Was ist also wichtig beim Marathon, wie verhält man sich als Läufer am besten?
IH: Beim Marathon ist es vor allem wichtig zu trinken. Im Gegensatz zum Halbmarathon ist man darüber hinaus quasi verpflichtet, Essen zu sich zu nehmen. Denn ab dem 32. Kilometer sind sogar bei Profis meist die Kohlenhydratspeicher komplett aufgebraucht und bei Amateuren natürlich noch früher. Also, ab Kilometer 20 alle fünf Kilometer ein Stück Banane oder einen Energieriegel zu sich nehmen und genug trinken!

DH: Das Essen während dem Marathon spielt also eine große Rolle, wie sieht es mit der Ernährung im Trainingsalltag aus?
IH: Das unterschätzen ganz viele. Es gibt zahlreiche Studien dazu und es ranken sich viele Mythen darum, welche Ernährung für Ausdauersportler am besten ist. Jahrelang hat man auf Kohlenhydrate gesetzt, davon ist man mittlerweile weggekommen. Ein renommierter Ernährungswissenschaftler aus Tübingen, Dr. Wolfgang Feil, sagt „weg von Kohlenhydraten hin zu Fetten und Eiweiß“. Man soll also in den Wochen vor dem Marathon seine Kohlenhydratzufuhr drastisch reduzieren und dafür auf Fett und Eiweiß setzten. Kurz vor dem Wettkampf lädt man seine Speicher wieder voll auf, dieses Prinzip heißt „train low - compete high“.

DH: Du hast jetzt viel von Vorbereitung und Belastung gesprochen, was macht man eigentlich nach dem Marathon?
IH: Die erste Stunde nach dem Marathon war schrecklich bei mir. Es gibt Läufer bei denen das anders abgelaufen ist, aber vielen ging es wie mir. Ich habe bei Kilometer 30 schon gemerkt, dass mein Akku eigentlich im roten Bereich ist und jeder Schritt meinen Gelenken und meinem Körper schadet. Aber was im Kopf beim Marathon abgeht, ist wirklich unglaublich. Man hat die ganze Zeit Versagensängste, Selbstzweifel und Angst, dass es dein Körper nicht packt. Du hast immer diese Gedankenspiele: ‚Warum machst du das überhaupt, warum machst du den ganzen Scheiß, warum quälst du dich durch diese Kilometer und zahlst auch noch dafür?‘ Der größte Kampf ist also nicht der mit deinem Körper, sondern der gegen deinen Kopf. Man sagt nicht umsonst, dass ein Marathon erst ab Kilometer 30 anfängt, alles ab diesem Kilometer entscheidet sich im Kopf. Wer schon einmal einen Marathon gelaufen ist, weiß wie das ist.
Um aber auf die Frage zurück zu kommen: ich hab mich kurz danach in die Ecke gelegt, hab Bauchkrämpfe und Kopfschmerzen bekommen. Meine Beine und Knie haben richtig krass geschmerzt, ich habe sämtliche Körperteile gespürt und mir war richtig schlecht. Es war ein ziemlich desolater Gesamtzustand meines Körpers. (lacht)

DH: Hat es sich dann nicht rentiert den Marathon zu laufen, oder was ist dein Fazit?
IH: Doch, doch! Die Schmerzen, die Du im Marathon hast, sind die, die dich erst Stolz machen. Wenn Du alle diese Schmerzen und Trainingsqualen überwunden hast, wenn Du dich wochenlang vorbereitet hast, wenn Du dann nach 42 Kilometern im Ziel bist; dann bist Du der glücklichste Mensch der Welt. Es ist ein sehr befriedigendes Gefühl, es ist eine Selbstzufriedenheit, die man sonst so nicht spürt.

DH: Das sind doch schöne Abschlussworte, vielen Dank nochmal fürs Kommen und viel Erfolg beim nächsten Wettkampf.

Montag, 1. Dezember 2014

Chapeau, BVB! / Ein Kommentar

Die achte Saisonniederlage. Die rote Laterne. Die ersten Pfiffe der eigenen Fans: Bei jedem anderen europäischen Spitzenklub wäre der Trainer in Zeiten wie diesen seinen Job los. Dortmund tickt anders. Jürgen Klopp will Trainer bleiben. Und der BVB vertraut ihm. Allein diese Entscheidung ist bemerkenswert.

Schwarzgelb hat nicht vergessen, was Klopp in den letzten Jahren erreicht hat. Klopp hat den BVB von einem Abstiegskandidaten zu einem zweifachen Meister und Pokalsieger geformt. Der 47-Jährige hat nicht nur dem Team, sondern dem ganzen Verein eine neue Identität gegeben. Gerade international hat der BVB dank dem zum Teil berauschenden Offensivfußball der letzten Jahre einen exzellenten Ruf. Klopp selbst schlug mehrfach finanziell lukrative Angebote von englischen Topklubs aus. Er blieb, um sein Projekt „Borussia“ weiterentwickeln zu können. Jetzt einfach zu gehen, würde einfach nicht zu Klopp passen. Es wäre nicht eine Niederlage. Es wäre seine Niederlage.

Ich selbst bin Anhänger des VfB Stuttgart. Ich habe in den letzten Jahren viele Trainer kommen und gehen sehen. Allzu oft haben Manager und Vorstände mit den Entlassungen vor allem ihren eigenen Job, nicht aber den Verein gerettet. Die Wahrheit ist doch: vielen Klubs fehlt es grundlegend an einer klaren Philosophie. An einem klaren Konzept. Ein Konzept, das Dortmund mit Jürgen Klopp hat. Chapeau für das Vertrauensbekenntnis, BVB!