Mittwoch, 26. November 2014

Das Gebell der Hunde macht auf die Wolken keinen Eindruck

Champions League // 5. Spieltag: Mein ganz persönlicher Spieltagsrückblick

D-Day in der Champions League. Die britisch-monegassische Koalition kesselt Deutschland an vier Fronten ein. Blau-weiße Fahnenflucht. Gelsenkirchen verteidigt sich mit gebrauchten Plastikschwertern von Toys „R“ Us wie ein Haufen Vollidioten. Kirchhoff mit der hinterlistigen Dolchstoßlegende. Auch Dortmund fällt. Krieger Sanogo überrennt die deutsche Weide in zwei Minuten. Raumgewinne in Leverkusen, doch die deutschen Panzer (Marke: „Malanda“) verballern ihr Pulver. Ocampos mit dem „Lucky Punch“. Game over. Letzte Hoffnung Manchester. Der FC Sparta München will den Blitzkrieg, doch Söldner Benatia versteht da was falsch. In Unterzahl steht Sparta vor dem großen Coup. Doch Franco schickt seine Wunderwaffe. Der dreifache Agüero sichert den Endsieg.

Die Gebrüder Grimm schreiben das Märchen vom Hase und dem Igel um. In der Rolle des Igels: Leo Messi. In der Rolle des Hasens: Heiko Westermann. Und der Linienrichter kommt aus Portugal. CR7 mit seinem 71. Streichkonzert in Basel. Suaréz beißt gegen Nikosia früh zu. „La Pulga“ legt noch drei oben drauf wie Tim Wiese beim Bankdrücken.

Sorry Du, ich razgrad! Lord Liverpool spielt derzeit auf dem Niveau eines bulgarischen Eselwagens. Borissow zahlt Porto gegen Lehrgeld. Maribor findet gegen Sporting den Schalter nicht. Und Facebook-Nervensäge Sami Slimani ballert Lissabon nach seiner Maniküre zum Sieg.

Mandzukic schickt drei Liebesgrüße nach München: Einen an Pep Guardiola, einen an Robert Lewandowski und einen an Matthias Sammer (ohne den Mandzukic heute wohl  Pfandflaschen sammeln würde). Danny Zott löffelt seinen Becher Benfica in Petersburg aus. Und das Boss-Duo Cavani & Zlatan zieht lässig einen in Amsterdam durch.

Samstag, 15. November 2014

Deutschland - Gibraltar: Best of Social Web

Deutschland schlägt Gibraltar 4:0. Und die ganze Republik tobt. Sogar der WM-Titel wird infrage gestellt. Ich habe – in Kooperation mit Konrad Duden - ein „Best of Social Web-Kommentare“ zum Quali-Spiel zusammengestellt. Die zehn besten Statements  unserer 80 Millionen Bundestrainer (Quellen: BILD/Sportbild/Kicker/Sportschau/ZDF):


Dennis F.: „ich guck mir den ganzen scheiss schon nimmer an mir reichen schon die ergebnisse die sind SCHLIMM genug und als weltmeister NICHT würdig !!!“

Volker B.: „Was für'n grottiges Spiel! Seit sie Weltmeister sind, sind die feinen Herren Millionäre wohl satt???“

Marcus B.: „Habe in mein Leben noch nie was schlechteres gesehen, Herr Lòw nehmen sie endlich ihren Hut.“

Thomas S.: „Distanzschüsse schlimmer als Kreisklasse!“

Arne: „ (…) so ein Spruch zeigt mal wieder, dass Müller einfach ein arrogantes Arschloch ist.“ (Reaktion eines Users auf Müllers Aussage, er brauche Spiele wie gegen Gibraltar nicht)

Jens: „Ich wäre bei der Begrüßung hingegangen und hätte allen Spielern von Gibraltar in die Fresse gehauen und ihnen gesagt: Verpisst euch, ich habe keine Zeit und muss im Keller meine Millionen zählen!“

Pe G.: „ RTL ist SCHEISSE !“

Hans-Juergen: „Danke Jogi für die versprochene Torlawine. Lass beim Rückspiel die Frauen Nationalmannschaft ran.“

Jo Spitzbub: „Danke für nichts. Unsere Thekenmannschaft holt locker einen Punkt gegen euch.“

Weishaupt: „soll man weinen oder lachem. deutschland zeigt immer mehr.wie man zufällig weltmeister wird.“

Montag, 10. November 2014

Der Mensch ist ein Ort des Vergessens // Robert Enke

Von Ibrahim Naber

Vor fünf Jahren nahm sich Robert Enke das Leben. Sein Freitod hat uns alle bestürzt. Ich erinnere mich zurück, wie ich damals im Videotext das erste Mal mit der Nachricht konfrontiert wurde. Wie gelähmt las ich die Zeilen durch, sah in den Nachrichten später fassungslos die Bilder der abgesperrten Bahngleise. Ein Nationalspieler und Bundesligatorwart, der keinen Sinn mehr in seinem Leben sah? Das konnten so viele nicht verstehen.

Heute, fünf Jahre und eine äußerst lesenswerte Biographie („Ein allzu kurzes Leben“) von Journalist und Enke-Freund Ronald Reng später, wissen wir, dass der Freitod von Enke weitaus tiefere Gründe als den Fußball hatte. Über Jahre kämpfte Enke mit starken Depressionen, durchlebte Phasen der totalen Antriebslosigkeit, in denen er morgens nicht einmal mehr aus dem Bett kommen wollte. Und trotzdem haben wir Enke Samstag für Samstag in der Bundesliga gesehen. Ausgeglichen und zufrieden wirkte er dort auf uns. Enke gehörte zu den besten Torhütern, die wir hatten, wurde von den Bundesligaspielern mehrmals zum Torwart des Jahres gewählt.

Natürlich wurden nach Enkes Freitod wieder große Reden geschwungen, Versprechungen gemacht. Man wolle sich im Fußball zukünftig mehr am Menschen und weniger am Geschäft orientieren, hieß es. Wenn wir ehrlich sind, wissen wir alle, dass sich durch Enkes Tod wenig verändert hat. Klar, es gibt nun eine tolle Stiftung und engagierte Psychologen bei vielen Vereinen. Doch die Grundausrichtung des Systems Fußball ist gleich geblieben. Es geht um Leistung und Selektion, um Geld und Macht. Schwächezeigen passt in das System nicht rein. Das wird sich in absehbarer Zeit auch nicht ändern.

Was wir mitnehmen können, ist dennoch die Erkenntnis, dass die Krankheit in gewissen Lebensabschnitten jeden treffen kann. Ein offener Umgang und professionelle Hilfe sind wichtig. Dafür braucht es vor allem auch aufmerksame Freunde. Was uns von Robert Enke bleibt, sind die Erinnerungen an seine spektakulären Paraden und seine bodenständige Art. Erinnerungen an einen großen deutschen Torwart.

Samstag, 8. November 2014

Heimat ist kein Ort, sondern ein Gefühl

Heimat ist für mich, auf der Neckarmauer zu sitzen. Meinen Fake-Fairtrade-Cappuccino zu schlürfen und das Spiegelbild der pittoresken Hausfassade auf dem Neckar zu sehen. 

Heimat ist für mich, die enge Neckargasse hoch zu stapfen, vorbei an den beiden Eisdielen, dem Chocolatier und dem allzu komischen Seifenladen.  

Heimat ist für mich, wenn sich die großen Tore der Altstadt auf dem Marktplatz endgültig öffnen. Wo Studenten vor der Stiftskirche ein Plastikschwein aufgebaut haben, um sich für die Schweine dieser Welt einzusetzen. Wo, nur zehn Meter daneben, drei junge Araber mit stereotypsichem Vollbart für den Islam werben und im Hintergrund ein Hippie für den Weltfrieden seine Gittare zupft.  

Heimat ist für mich, wenn ich weiterflaniere, durch die all die engen Gassen und über den Rathausplatz, wo junge Mütter bei einem Mango-Pfirsich-Johannisbeer-Smoothie über Mode reden und alte Radfahrer bei einem kühlen Bier über Boris Palmer schimpfen. 

Heimat ist für mich, im weichen Ledersessel des "Osiander" zu versinken, um eineinhalb Stunden in das neue Buch von Ken Follett "reinzulesen". 

Heimat ist für mich, beim "Kalender" Halt zu machen, um mich mit meinem Falafel am Ende des Tages wieder auf die Neckarmauer zu setzen. 

Heimat ist für mich hineinzubeißen, wenn Tübingens Herbstsonne langsam untergeht.







Dienstag, 4. November 2014

Guten Morgen, Berlin...

...Du kannst so wunderbar sein! Aufnahme an der Axel-Springer-Akademie in der Hauptstadt. Ein kleiner Traum geht in Erfüllung. Nach all den Tests und dem Vorstellungsgespräch in Berlin, trudelte gestern der langersehnte Brief ein. Ich habe gezittert, während mein Bruder ihn mir am Telefon vorgelesen hat. Jetzt bin ich zuallererst erleichtert. Und happy!

Ab Juli 2015 bin ich Teil von ‪#‎Team18‬ an der Akademie. Zwei Jahre geht die Ausbildung in Berlin, DIE WELT wird meine Stammredaktion. Ich möchte ein paar Leuten hier kurz danken:

- Danke, Schwäbisches Tagblatt Tübingen, für sechs tolle Jahre. Ihr, vor allem die Jungs vom Sport, habt mir die Grundlagen beigebracht und mich immer gefördert.
- Danke an Martin und Die Hochburg-Crew.
- Danke Henoch VonHamburg, Du hast mich im Social Web ausgebildet. Immer wieder eine Inspiration.
- Danke Moritz Schäfer, Monika Czachorowska und Lara Gronau für eure Gastfreundlichkeit bei den Testtagen in Berlin und Hamburg.

Und nicht zuletzt: Danke Familie und Freunde. Ihr habt an mich geglaubt.

Sonntag, 2. November 2014

Wir dürfen unsere Brüderlichkeit nicht für den Glauben aufgeben // Ein Essay


Inshallah sagen die Araber so gerne. So Gott will. Inshallah, dass wir in Frieden leben. Inshallah, dass wir unsere nächste Miete bezahlen können. Es gibt wenige Alltagsfloskeln, die im Arabischen nicht auf Allahu Akbar, Gott den Großen, verweisen. Gott ist in der täglichen Kommunikation allgegenwärtig. Glaube und Religion gehören in muslimischen Ländern wie Jordanien zur eigenen Identität. Du bist nicht nur, was Du hast. Du bist vor allem auch, was Du glaubst. 

Religion ist ein Machtmittel. Das ist mir ganz besonders auf meiner Reise durch den Nahen Osten klar geworden. Der vermeintlich richtige Glaube kann kleine Türen öffnen, aber auch große schließen. Das gilt für die Karriereleiter als auch für die Liebe. Einer muslimischen Frau wäre es beispielsweise von ihrer Familie gewöhnlich nicht gestattet, einen christlichen Mann zu heiraten. Moslems bleiben lieben unter sich. Andersgläubige werden meist toleriert, manchmal auch als Freunde akzeptiert, aber nur von Wenigen wirklich respektiert. 

Genau dieses religiöse Einbahnstraßendenken befremdet mich. Wenn ich mit Moslems über Religion redete, kamen wir irgendwann fast immer zum selben Punkt: Man versuchte mich vom Islam zu überzeugen. Es passierte nicht immer offensichtlich, aber doch passierte es durch alle Lobpreisungen und Versprechungen. In manchen Fällen versuchte man mich an Ort und Stelle zum Islam zu konvertieren. Ganz so, als wäre ich eine Audiodatei.
 Ich habe mich natürlich gefragt, warum mich so viele Moslems auf ihre Seite ziehen wollen. Und ich habe Antworten erhalten. Abdul, ein junger Ingenieur-Student aus Amman, erklärte mir: „Wenn ich einen Ungläubigen zum Islam bringe, steige ich im Ansehen von Allah. Dadurch komme ich dem Paradies näher.“ Religion als Payback-Punkteystem? Das ist für mich nur schwer zu verstehen. 

Jeder soll glauben, was er will. Jude, Buddhist, Moslem, Christ oder Atheist. Mir ist es doch egal, mit wem ich mir mein Brot teile. Wir alle sind aus Fleisch und Blut, aus Herz und Verstand. Wir dürfen unsere Brüderlichkeit nicht für den Glauben aufgeben.
Keine Frage: Glaube kann wunderbar sein. Er kann uns Mut machen, uns trösten, uns Halt geben. Aber er kann auch so Vieles zerstören. Gespräche, Freundschaften, Familien, ganze Gesellschaften. Man kann an Gott glauben. Aber wir dürfen niemals vergessen, auch an den Menschen zu glauben. Salam Aleikom.