Montag, 10. November 2014

Der Mensch ist ein Ort des Vergessens // Robert Enke

Von Ibrahim Naber

Vor fünf Jahren nahm sich Robert Enke das Leben. Sein Freitod hat uns alle bestürzt. Ich erinnere mich zurück, wie ich damals im Videotext das erste Mal mit der Nachricht konfrontiert wurde. Wie gelähmt las ich die Zeilen durch, sah in den Nachrichten später fassungslos die Bilder der abgesperrten Bahngleise. Ein Nationalspieler und Bundesligatorwart, der keinen Sinn mehr in seinem Leben sah? Das konnten so viele nicht verstehen.

Heute, fünf Jahre und eine äußerst lesenswerte Biographie („Ein allzu kurzes Leben“) von Journalist und Enke-Freund Ronald Reng später, wissen wir, dass der Freitod von Enke weitaus tiefere Gründe als den Fußball hatte. Über Jahre kämpfte Enke mit starken Depressionen, durchlebte Phasen der totalen Antriebslosigkeit, in denen er morgens nicht einmal mehr aus dem Bett kommen wollte. Und trotzdem haben wir Enke Samstag für Samstag in der Bundesliga gesehen. Ausgeglichen und zufrieden wirkte er dort auf uns. Enke gehörte zu den besten Torhütern, die wir hatten, wurde von den Bundesligaspielern mehrmals zum Torwart des Jahres gewählt.

Natürlich wurden nach Enkes Freitod wieder große Reden geschwungen, Versprechungen gemacht. Man wolle sich im Fußball zukünftig mehr am Menschen und weniger am Geschäft orientieren, hieß es. Wenn wir ehrlich sind, wissen wir alle, dass sich durch Enkes Tod wenig verändert hat. Klar, es gibt nun eine tolle Stiftung und engagierte Psychologen bei vielen Vereinen. Doch die Grundausrichtung des Systems Fußball ist gleich geblieben. Es geht um Leistung und Selektion, um Geld und Macht. Schwächezeigen passt in das System nicht rein. Das wird sich in absehbarer Zeit auch nicht ändern.

Was wir mitnehmen können, ist dennoch die Erkenntnis, dass die Krankheit in gewissen Lebensabschnitten jeden treffen kann. Ein offener Umgang und professionelle Hilfe sind wichtig. Dafür braucht es vor allem auch aufmerksame Freunde. Was uns von Robert Enke bleibt, sind die Erinnerungen an seine spektakulären Paraden und seine bodenständige Art. Erinnerungen an einen großen deutschen Torwart.

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