Sonntag, 7. Dezember 2014

Rollentausch: Ibrakadabra im Interview

**Für ein journalistisches Seminar an der Uni Bamberg stand ich Nachwuchsjournalist Dennis Haas Rede und Antwort. Im Interview geht es um die Extremerfahrung Marathon.**
 

"Alles entscheidet sich im Kopf"

  
Marathon: Was es wirklich bedeutet, 42,195 Kilometer am Stück zu rennen.

Ibrahim Naber, 22, ist Student und ambitionierter Hobbyläufer aus Tübingen. Er ist vor kurzem den Marathon in Frankfurt gelaufen und erzählt von seinem Training, seiner Ernährung, sowie vom Kampf mit sich selbst während des Laufs.

Dennis Haas (DH): Die meisten von uns sind noch nie einen Marathon gelaufen. Wie bereitet man sich auf etwas so Großes eigentlich vor?
Ibrahim Naber (IH): Ein Marathon bedeutet generell eine harte und gründliche Vorbereitung. Mindestens 10 Wochen sollten es sein, wenn man eine gute Grundfitness hat. Ansonsten muss man sich ein halbes Jahr lang vorbereiten und das ist dann auch wirklich das Mindestmaß. Ein Marathon ist selbst für erfahrene Sportler eine Extrembelastung und deswegen ist die Art und Weise des Trainings extrem wichtig. Denn man kann natürlich fünfmal die Woche trainieren, sehr viel Zeit investieren und trotzdem alles falsch machen.

DH: Was ist denn beim Training wichtig, auf was achtest Du besonders?
IH: Ich bin ein ambitionierter Läufer. Meinen ersten Halbmarathon hatte ich mit 14. Ich hatte mich damals ohne das Wissen meiner Eltern angemeldet und bin dann im Koma gelandet…

DH: Was ist denn passiert?
IH: Ich war nicht richtig vorbereitet, extrem übermotiviert und hatte mir das Ziel gesetzt unter 1 Stunde 50 Minuten zu bleiben, was für den ersten Halbmarathon keine Zielsetzung sein darf. Beim ersten Mal geht es einfach darum ins Ziel zu kommen. Ich bin also, unter dem Vorwand meine Großeltern zu besuchen, nach Karlsruhe gefahren und bin gelaufen. Ich habe früh gemerkt, dass es mit der Zielzeit eng wird. Ab Kilometer 14 hatte ich dann so einen seifigen Geschmack im Mund, weil ich wie in einem Tunnel war und nichts mehr getrunken habe.
Ich habe also jeden Anfängerfehler gemacht, den man machen kann: Nichts gegessen, nichts getrunken, zu schnell losgelaufen und am Ende einfach nicht auf meinen Körper gehört. Ungefähr 200 Meter vor der Zielgeraden ist mir dann schwarz vor Augen geworden, ich bin von links nach rechts getaumelt und wurde dann von zwei anderen Läufern über die Zielmatte geschleift. Es gibt Bilder davon. Irgendwann später bin ich dann im Krankenhaus aufgewacht.

DH: Was ist also wichtig beim Marathon, wie verhält man sich als Läufer am besten?
IH: Beim Marathon ist es vor allem wichtig zu trinken. Im Gegensatz zum Halbmarathon ist man darüber hinaus quasi verpflichtet, Essen zu sich zu nehmen. Denn ab dem 32. Kilometer sind sogar bei Profis meist die Kohlenhydratspeicher komplett aufgebraucht und bei Amateuren natürlich noch früher. Also, ab Kilometer 20 alle fünf Kilometer ein Stück Banane oder einen Energieriegel zu sich nehmen und genug trinken!

DH: Das Essen während dem Marathon spielt also eine große Rolle, wie sieht es mit der Ernährung im Trainingsalltag aus?
IH: Das unterschätzen ganz viele. Es gibt zahlreiche Studien dazu und es ranken sich viele Mythen darum, welche Ernährung für Ausdauersportler am besten ist. Jahrelang hat man auf Kohlenhydrate gesetzt, davon ist man mittlerweile weggekommen. Ein renommierter Ernährungswissenschaftler aus Tübingen, Dr. Wolfgang Feil, sagt „weg von Kohlenhydraten hin zu Fetten und Eiweiß“. Man soll also in den Wochen vor dem Marathon seine Kohlenhydratzufuhr drastisch reduzieren und dafür auf Fett und Eiweiß setzten. Kurz vor dem Wettkampf lädt man seine Speicher wieder voll auf, dieses Prinzip heißt „train low - compete high“.

DH: Du hast jetzt viel von Vorbereitung und Belastung gesprochen, was macht man eigentlich nach dem Marathon?
IH: Die erste Stunde nach dem Marathon war schrecklich bei mir. Es gibt Läufer bei denen das anders abgelaufen ist, aber vielen ging es wie mir. Ich habe bei Kilometer 30 schon gemerkt, dass mein Akku eigentlich im roten Bereich ist und jeder Schritt meinen Gelenken und meinem Körper schadet. Aber was im Kopf beim Marathon abgeht, ist wirklich unglaublich. Man hat die ganze Zeit Versagensängste, Selbstzweifel und Angst, dass es dein Körper nicht packt. Du hast immer diese Gedankenspiele: ‚Warum machst du das überhaupt, warum machst du den ganzen Scheiß, warum quälst du dich durch diese Kilometer und zahlst auch noch dafür?‘ Der größte Kampf ist also nicht der mit deinem Körper, sondern der gegen deinen Kopf. Man sagt nicht umsonst, dass ein Marathon erst ab Kilometer 30 anfängt, alles ab diesem Kilometer entscheidet sich im Kopf. Wer schon einmal einen Marathon gelaufen ist, weiß wie das ist.
Um aber auf die Frage zurück zu kommen: ich hab mich kurz danach in die Ecke gelegt, hab Bauchkrämpfe und Kopfschmerzen bekommen. Meine Beine und Knie haben richtig krass geschmerzt, ich habe sämtliche Körperteile gespürt und mir war richtig schlecht. Es war ein ziemlich desolater Gesamtzustand meines Körpers. (lacht)

DH: Hat es sich dann nicht rentiert den Marathon zu laufen, oder was ist dein Fazit?
IH: Doch, doch! Die Schmerzen, die Du im Marathon hast, sind die, die dich erst Stolz machen. Wenn Du alle diese Schmerzen und Trainingsqualen überwunden hast, wenn Du dich wochenlang vorbereitet hast, wenn Du dann nach 42 Kilometern im Ziel bist; dann bist Du der glücklichste Mensch der Welt. Es ist ein sehr befriedigendes Gefühl, es ist eine Selbstzufriedenheit, die man sonst so nicht spürt.

DH: Das sind doch schöne Abschlussworte, vielen Dank nochmal fürs Kommen und viel Erfolg beim nächsten Wettkampf.

Montag, 1. Dezember 2014

Chapeau, BVB! / Ein Kommentar

Die achte Saisonniederlage. Die rote Laterne. Die ersten Pfiffe der eigenen Fans: Bei jedem anderen europäischen Spitzenklub wäre der Trainer in Zeiten wie diesen seinen Job los. Dortmund tickt anders. Jürgen Klopp will Trainer bleiben. Und der BVB vertraut ihm. Allein diese Entscheidung ist bemerkenswert.

Schwarzgelb hat nicht vergessen, was Klopp in den letzten Jahren erreicht hat. Klopp hat den BVB von einem Abstiegskandidaten zu einem zweifachen Meister und Pokalsieger geformt. Der 47-Jährige hat nicht nur dem Team, sondern dem ganzen Verein eine neue Identität gegeben. Gerade international hat der BVB dank dem zum Teil berauschenden Offensivfußball der letzten Jahre einen exzellenten Ruf. Klopp selbst schlug mehrfach finanziell lukrative Angebote von englischen Topklubs aus. Er blieb, um sein Projekt „Borussia“ weiterentwickeln zu können. Jetzt einfach zu gehen, würde einfach nicht zu Klopp passen. Es wäre nicht eine Niederlage. Es wäre seine Niederlage.

Ich selbst bin Anhänger des VfB Stuttgart. Ich habe in den letzten Jahren viele Trainer kommen und gehen sehen. Allzu oft haben Manager und Vorstände mit den Entlassungen vor allem ihren eigenen Job, nicht aber den Verein gerettet. Die Wahrheit ist doch: vielen Klubs fehlt es grundlegend an einer klaren Philosophie. An einem klaren Konzept. Ein Konzept, das Dortmund mit Jürgen Klopp hat. Chapeau für das Vertrauensbekenntnis, BVB!

Mittwoch, 26. November 2014

Das Gebell der Hunde macht auf die Wolken keinen Eindruck

Champions League // 5. Spieltag: Mein ganz persönlicher Spieltagsrückblick

D-Day in der Champions League. Die britisch-monegassische Koalition kesselt Deutschland an vier Fronten ein. Blau-weiße Fahnenflucht. Gelsenkirchen verteidigt sich mit gebrauchten Plastikschwertern von Toys „R“ Us wie ein Haufen Vollidioten. Kirchhoff mit der hinterlistigen Dolchstoßlegende. Auch Dortmund fällt. Krieger Sanogo überrennt die deutsche Weide in zwei Minuten. Raumgewinne in Leverkusen, doch die deutschen Panzer (Marke: „Malanda“) verballern ihr Pulver. Ocampos mit dem „Lucky Punch“. Game over. Letzte Hoffnung Manchester. Der FC Sparta München will den Blitzkrieg, doch Söldner Benatia versteht da was falsch. In Unterzahl steht Sparta vor dem großen Coup. Doch Franco schickt seine Wunderwaffe. Der dreifache Agüero sichert den Endsieg.

Die Gebrüder Grimm schreiben das Märchen vom Hase und dem Igel um. In der Rolle des Igels: Leo Messi. In der Rolle des Hasens: Heiko Westermann. Und der Linienrichter kommt aus Portugal. CR7 mit seinem 71. Streichkonzert in Basel. Suaréz beißt gegen Nikosia früh zu. „La Pulga“ legt noch drei oben drauf wie Tim Wiese beim Bankdrücken.

Sorry Du, ich razgrad! Lord Liverpool spielt derzeit auf dem Niveau eines bulgarischen Eselwagens. Borissow zahlt Porto gegen Lehrgeld. Maribor findet gegen Sporting den Schalter nicht. Und Facebook-Nervensäge Sami Slimani ballert Lissabon nach seiner Maniküre zum Sieg.

Mandzukic schickt drei Liebesgrüße nach München: Einen an Pep Guardiola, einen an Robert Lewandowski und einen an Matthias Sammer (ohne den Mandzukic heute wohl  Pfandflaschen sammeln würde). Danny Zott löffelt seinen Becher Benfica in Petersburg aus. Und das Boss-Duo Cavani & Zlatan zieht lässig einen in Amsterdam durch.

Samstag, 15. November 2014

Deutschland - Gibraltar: Best of Social Web

Deutschland schlägt Gibraltar 4:0. Und die ganze Republik tobt. Sogar der WM-Titel wird infrage gestellt. Ich habe – in Kooperation mit Konrad Duden - ein „Best of Social Web-Kommentare“ zum Quali-Spiel zusammengestellt. Die zehn besten Statements  unserer 80 Millionen Bundestrainer (Quellen: BILD/Sportbild/Kicker/Sportschau/ZDF):


Dennis F.: „ich guck mir den ganzen scheiss schon nimmer an mir reichen schon die ergebnisse die sind SCHLIMM genug und als weltmeister NICHT würdig !!!“

Volker B.: „Was für'n grottiges Spiel! Seit sie Weltmeister sind, sind die feinen Herren Millionäre wohl satt???“

Marcus B.: „Habe in mein Leben noch nie was schlechteres gesehen, Herr Lòw nehmen sie endlich ihren Hut.“

Thomas S.: „Distanzschüsse schlimmer als Kreisklasse!“

Arne: „ (…) so ein Spruch zeigt mal wieder, dass Müller einfach ein arrogantes Arschloch ist.“ (Reaktion eines Users auf Müllers Aussage, er brauche Spiele wie gegen Gibraltar nicht)

Jens: „Ich wäre bei der Begrüßung hingegangen und hätte allen Spielern von Gibraltar in die Fresse gehauen und ihnen gesagt: Verpisst euch, ich habe keine Zeit und muss im Keller meine Millionen zählen!“

Pe G.: „ RTL ist SCHEISSE !“

Hans-Juergen: „Danke Jogi für die versprochene Torlawine. Lass beim Rückspiel die Frauen Nationalmannschaft ran.“

Jo Spitzbub: „Danke für nichts. Unsere Thekenmannschaft holt locker einen Punkt gegen euch.“

Weishaupt: „soll man weinen oder lachem. deutschland zeigt immer mehr.wie man zufällig weltmeister wird.“

Montag, 10. November 2014

Der Mensch ist ein Ort des Vergessens // Robert Enke

Von Ibrahim Naber

Vor fünf Jahren nahm sich Robert Enke das Leben. Sein Freitod hat uns alle bestürzt. Ich erinnere mich zurück, wie ich damals im Videotext das erste Mal mit der Nachricht konfrontiert wurde. Wie gelähmt las ich die Zeilen durch, sah in den Nachrichten später fassungslos die Bilder der abgesperrten Bahngleise. Ein Nationalspieler und Bundesligatorwart, der keinen Sinn mehr in seinem Leben sah? Das konnten so viele nicht verstehen.

Heute, fünf Jahre und eine äußerst lesenswerte Biographie („Ein allzu kurzes Leben“) von Journalist und Enke-Freund Ronald Reng später, wissen wir, dass der Freitod von Enke weitaus tiefere Gründe als den Fußball hatte. Über Jahre kämpfte Enke mit starken Depressionen, durchlebte Phasen der totalen Antriebslosigkeit, in denen er morgens nicht einmal mehr aus dem Bett kommen wollte. Und trotzdem haben wir Enke Samstag für Samstag in der Bundesliga gesehen. Ausgeglichen und zufrieden wirkte er dort auf uns. Enke gehörte zu den besten Torhütern, die wir hatten, wurde von den Bundesligaspielern mehrmals zum Torwart des Jahres gewählt.

Natürlich wurden nach Enkes Freitod wieder große Reden geschwungen, Versprechungen gemacht. Man wolle sich im Fußball zukünftig mehr am Menschen und weniger am Geschäft orientieren, hieß es. Wenn wir ehrlich sind, wissen wir alle, dass sich durch Enkes Tod wenig verändert hat. Klar, es gibt nun eine tolle Stiftung und engagierte Psychologen bei vielen Vereinen. Doch die Grundausrichtung des Systems Fußball ist gleich geblieben. Es geht um Leistung und Selektion, um Geld und Macht. Schwächezeigen passt in das System nicht rein. Das wird sich in absehbarer Zeit auch nicht ändern.

Was wir mitnehmen können, ist dennoch die Erkenntnis, dass die Krankheit in gewissen Lebensabschnitten jeden treffen kann. Ein offener Umgang und professionelle Hilfe sind wichtig. Dafür braucht es vor allem auch aufmerksame Freunde. Was uns von Robert Enke bleibt, sind die Erinnerungen an seine spektakulären Paraden und seine bodenständige Art. Erinnerungen an einen großen deutschen Torwart.

Samstag, 8. November 2014

Heimat ist kein Ort, sondern ein Gefühl

Heimat ist für mich, auf der Neckarmauer zu sitzen. Meinen Fake-Fairtrade-Cappuccino zu schlürfen und das Spiegelbild der pittoresken Hausfassade auf dem Neckar zu sehen. 

Heimat ist für mich, die enge Neckargasse hoch zu stapfen, vorbei an den beiden Eisdielen, dem Chocolatier und dem allzu komischen Seifenladen.  

Heimat ist für mich, wenn sich die großen Tore der Altstadt auf dem Marktplatz endgültig öffnen. Wo Studenten vor der Stiftskirche ein Plastikschwein aufgebaut haben, um sich für die Schweine dieser Welt einzusetzen. Wo, nur zehn Meter daneben, drei junge Araber mit stereotypsichem Vollbart für den Islam werben und im Hintergrund ein Hippie für den Weltfrieden seine Gittare zupft.  

Heimat ist für mich, wenn ich weiterflaniere, durch die all die engen Gassen und über den Rathausplatz, wo junge Mütter bei einem Mango-Pfirsich-Johannisbeer-Smoothie über Mode reden und alte Radfahrer bei einem kühlen Bier über Boris Palmer schimpfen. 

Heimat ist für mich, im weichen Ledersessel des "Osiander" zu versinken, um eineinhalb Stunden in das neue Buch von Ken Follett "reinzulesen". 

Heimat ist für mich, beim "Kalender" Halt zu machen, um mich mit meinem Falafel am Ende des Tages wieder auf die Neckarmauer zu setzen. 

Heimat ist für mich hineinzubeißen, wenn Tübingens Herbstsonne langsam untergeht.







Dienstag, 4. November 2014

Guten Morgen, Berlin...

...Du kannst so wunderbar sein! Aufnahme an der Axel-Springer-Akademie in der Hauptstadt. Ein kleiner Traum geht in Erfüllung. Nach all den Tests und dem Vorstellungsgespräch in Berlin, trudelte gestern der langersehnte Brief ein. Ich habe gezittert, während mein Bruder ihn mir am Telefon vorgelesen hat. Jetzt bin ich zuallererst erleichtert. Und happy!

Ab Juli 2015 bin ich Teil von ‪#‎Team18‬ an der Akademie. Zwei Jahre geht die Ausbildung in Berlin, DIE WELT wird meine Stammredaktion. Ich möchte ein paar Leuten hier kurz danken:

- Danke, Schwäbisches Tagblatt Tübingen, für sechs tolle Jahre. Ihr, vor allem die Jungs vom Sport, habt mir die Grundlagen beigebracht und mich immer gefördert.
- Danke an Martin und Die Hochburg-Crew.
- Danke Henoch VonHamburg, Du hast mich im Social Web ausgebildet. Immer wieder eine Inspiration.
- Danke Moritz Schäfer, Monika Czachorowska und Lara Gronau für eure Gastfreundlichkeit bei den Testtagen in Berlin und Hamburg.

Und nicht zuletzt: Danke Familie und Freunde. Ihr habt an mich geglaubt.

Sonntag, 2. November 2014

Wir dürfen unsere Brüderlichkeit nicht für den Glauben aufgeben // Ein Essay


Inshallah sagen die Araber so gerne. So Gott will. Inshallah, dass wir in Frieden leben. Inshallah, dass wir unsere nächste Miete bezahlen können. Es gibt wenige Alltagsfloskeln, die im Arabischen nicht auf Allahu Akbar, Gott den Großen, verweisen. Gott ist in der täglichen Kommunikation allgegenwärtig. Glaube und Religion gehören in muslimischen Ländern wie Jordanien zur eigenen Identität. Du bist nicht nur, was Du hast. Du bist vor allem auch, was Du glaubst. 

Religion ist ein Machtmittel. Das ist mir ganz besonders auf meiner Reise durch den Nahen Osten klar geworden. Der vermeintlich richtige Glaube kann kleine Türen öffnen, aber auch große schließen. Das gilt für die Karriereleiter als auch für die Liebe. Einer muslimischen Frau wäre es beispielsweise von ihrer Familie gewöhnlich nicht gestattet, einen christlichen Mann zu heiraten. Moslems bleiben lieben unter sich. Andersgläubige werden meist toleriert, manchmal auch als Freunde akzeptiert, aber nur von Wenigen wirklich respektiert. 

Genau dieses religiöse Einbahnstraßendenken befremdet mich. Wenn ich mit Moslems über Religion redete, kamen wir irgendwann fast immer zum selben Punkt: Man versuchte mich vom Islam zu überzeugen. Es passierte nicht immer offensichtlich, aber doch passierte es durch alle Lobpreisungen und Versprechungen. In manchen Fällen versuchte man mich an Ort und Stelle zum Islam zu konvertieren. Ganz so, als wäre ich eine Audiodatei.
 Ich habe mich natürlich gefragt, warum mich so viele Moslems auf ihre Seite ziehen wollen. Und ich habe Antworten erhalten. Abdul, ein junger Ingenieur-Student aus Amman, erklärte mir: „Wenn ich einen Ungläubigen zum Islam bringe, steige ich im Ansehen von Allah. Dadurch komme ich dem Paradies näher.“ Religion als Payback-Punkteystem? Das ist für mich nur schwer zu verstehen. 

Jeder soll glauben, was er will. Jude, Buddhist, Moslem, Christ oder Atheist. Mir ist es doch egal, mit wem ich mir mein Brot teile. Wir alle sind aus Fleisch und Blut, aus Herz und Verstand. Wir dürfen unsere Brüderlichkeit nicht für den Glauben aufgeben.
Keine Frage: Glaube kann wunderbar sein. Er kann uns Mut machen, uns trösten, uns Halt geben. Aber er kann auch so Vieles zerstören. Gespräche, Freundschaften, Familien, ganze Gesellschaften. Man kann an Gott glauben. Aber wir dürfen niemals vergessen, auch an den Menschen zu glauben. Salam Aleikom. 


Donnerstag, 30. Oktober 2014

Liebe Hooligans!

In Köln seid ihr am Sonntag auf die Straße gegangen, um Deutschland vor Salafisten zu schützen. Die Bilder eurer Demo gingen um die Welt. Eingeschlagene Fensterscheiben, bengalisches Feuer und tollwütige Skinheads. Amtliches Endergebnis: 44 verletzte Polizisten und ein umgeworfenes Polizeiauto. Respekt, ich ziehe meinen Hut.

Um darin Geld für euch zu sammeln. Weil ich Mitleid mit euch habe. Wie beschissen muss euer Leben eigentlich sein, dass ihr sonntags aus halb Europa anreist, um Hitler zu feiern und ein paar Steine zu werfen?

Ihr macht euch lächerlich. Ihr missbraucht den Fußball als Vorwand, um Anderen die Köpfe einzuschlagen und gegen Ausländer zu hetzen. Und jetzt also die Kampagne gegen Salafisten. Das sind Spinner, keine Frage. Menschen, die in unserem Land die Scharia einführen wollen, sind hier falsch. Aber Menschen, die „Deutschland über alles“ rufen und Krawall machen, brauchen wir genauso wenig. Schon gar nicht in Fußball-Stadien.

Der Fußball lebt von Emotionen. Er lebt auch von frenetischen Fans in der Kurve, die für ihren Verein durch die Welt reisen und das Team 90 Minuten lautstark unterstützen. Aber Gewalt und Politik haben im Fußball nichts zu suchen. Schreibt euch das bitte ganz dick auf eure Reichsflaggen.

Ich wünsche Euch von Herzen gute Besserung. Euer Ibrakadabra.

Mittwoch, 29. Oktober 2014

Der Fabellauf des Arne Gabius



Nach seinem grandiosen Debüt in Frankfurt wird Arne Gabius (33) als neue deutsche Marathon-Hoffnung gefeiert. Seine Fabelzeit von 2:09:32 ist das Resultat einer strikten Ernährungsumstellung und wochenlanger Trainingsqualen. Ein Tübinger Wissenschaftler und eine italienische Trainerlegende haben entscheidenden Anteil am Erfolg. 

Gabius verriet mir im Interview, dass er während des gesamten Marathons nichts gegessen und lediglich acht Schlücke Wasser zu sich genommen hätte. Aus Amateurperspektive ist das unfassbar. Ich war selbst in Frankfurt am Start. Ab Kilometer 34 haben sich für mich die Tore zur Hölle geöffnet. Die Verpflegungsstationen waren da meine einzigen Lichtblicke. Auch heute, drei Tage nach dem Lauf, werde ich noch von Rentnern beim Treppensteigen überholt. Irre, was 42 Kilometer mit deinem Körper machen können. 

Hier ist mein Gabius-Artikel von heute: 



 

Dienstag, 28. Oktober 2014

Reportage: Die Nudel-Revolution

Mein zweiter Beitrag aus Wirtschaft im Profil: 

Über Jahrzehnte galten Kohlenhydrate als wichtigste Quelle für die tägliche Ernährung von Sportlern. Prominente Forscher und Athleten haben sich mittlerweile von diesem Ansatz distanziert. Dazu gehören auch die Tübinger Ernährungswissenschaftler Friederike und Dr. Wolfgang Feil, die einen Paradigmenwechsel forcieren: Weg von Nudeln und Brot, hin zu einer „fettschlauen“ Ernährung. Was also nährt den Sportler wirklich? Und welche Rolle spielen dabei Nahrungsergänzungsmittel?

http://www.wirtschaftimprofil.de/Home/artikel_artikel,-Die-Nudel-Revolution-_arid,277842.html


Montag, 27. Oktober 2014

Reportage: Völlig aus dem Rahmen

Am Freitag kam unsere letzte Ausgabe von Wirtschaft im Profil für das Jahr heraus (4/2014).
Ich bin dieses Mal mit zwei Beiträgen vertreten. Meine erste Reportage spielt in einem pittoresken Hinterhof in Berlin, Kreuzberg. Es ist die außergewöhnliche Geschichte eines Individualisten.
Hier geht's zur Story:  http://www.wirtschaftimprofil.de/Home/artikel_artikel,-Voellig-aus-dem-Rahmen-_arid,277841.html

Morgen folgt auch mein zweiter Beitrag: Die Nudel-Revolution.

Ich wünsch Euch einen entspannten Wochenstart!

Ibrakadabra







Sonntag, 5. Oktober 2014

Mauern sind da, um gesprengt zu werden // 7. Spieltag

Tatort: Bundesliga 
Mein ganz persönlicher Spieltagsrückblick:

Die Tracht sitzt, die Prügel auch: Arbert Robbandowski nimmt Hannover auseinander wie einen IKEA-Schrank. Der Autoscooter auf den Wiesn ist für Manuel Neuer derzeit gefährlicher als jeder Bundesliga-Stürmer. Und für jeden Fußball-Fan aufregender als der Kampf um den Titel.

Der Wahnsinn kennt nach dem Tag der Deutschen Einheit keine Grenzen. Westermann reißt die schwarz-gelbe Mauer nieder. Lasogga assistiert. Die Grenze nach Europa ist für den HSV wieder offen. Dortmund kriselt national weiter wie der Nahe Osten. Und stellt sich die Systemfrage. Doch egal ob Windows oder Linux: in dieser Form kann der BVB den Bayern nicht mal im Festzelt das Weißbier reichen.

Schalke sucht Konstanz und beendet seine Irrfahrt über Maribor in Sinsheim. Elyounoussi trifft wie aus der Gisdole geschossen. Dann serviert Adam seinem alten Coach zur Beruhigung eine Fruchtszalai. S04 jagt Keller und Hoffenheim die Bayern.

Wann wird’s darida endlich Sommer? Bremen übernimmt die Laterne beim Herbstumzug. Robin Dutt gefällt JobScout24. Und Vedad Ibisevic gefällt FIFA 14. Auf der Konsole hat Stuttgarts Lord vor sechs Wochen sein letztes Tor geschossen. Kalou macht den Schieber und ballert Berlin zum Sieg. Auch, weil Rüdiger die Wagner-Steinofenpizza mal wieder zu spät aus dem Ofen holt.

Leverkusen könnte kocen. Nur ein Punkt gegen furiose Paderbourner. Risse in der Frankfurter Abwehr, doch die Eintracht meiert sich wimmernd zum Heimsieg. Genau wie Wolfsburg. Naldo wummst das Ding in die Maschen. Lord Bendtner vernascht bei seiner Gala vier Augsburger und eine Apfeltasche. Mainz und Gladbach einigen sich auf einen Nichtangriffspakt. Sie teilen brüderlich die Punkte. Und bleiben beide ungeschlagen wie Sahne.


Unseren wöchentlichen Bundeslliga-Spieltagsrückblick und mehr Fußball-Satire findet Ihr auf: https://www.facebook.com/fusifuechse

Montag, 22. September 2014

Nahost-Reise: Israel und Jordanien

Salam Aleikom!

Seit Anfang September reise ich durch den Nahen Osten. Israel. Jordanien. Zurück zu meinen Wurzeln. Acht Tage habe ich zu Beginn in Tel Aviv und Jerusalem verbracht, unter anderem auch einen Tag in der Westbank. Ich habe ganz unterschiedliche Einblicke in ein faszinierendes Land erhalten. Meine Einreise am Ben Gurion-Flughafen geriet zum Höllentrip. Fünfeinhalb Stunden wurde ich mitten in der Nacht festgehalten, zwei Mal äußerst unangenehm in einem bizarren Good Cop/Bad Cop-Spiel verhört.

Doch ich habe auch die andere Seite Israels kennengelernt. Ab dem ersten Schritt außerhalb des Flughafens, habe ich mich willkommen gefühlt. Und absolut sicher! Was haben Freunde und Familie nicht den Kopf geschüttelt, als ich ihnen von meiner Reise nach Israel erzählte. Viele Menschen verbinden Israel im Jahr 2014 vor allem mit Bildern von brennenden Häusern und archaischer Gewalt. Wer nur zwei Tage nach Israel reist, weiß, dass dies nicht die Realität ist.

Von Krieg oder Gewalt bekommt man als Tourist in Tel Aviv oder Jerusalem derzeit quasi nichts mit. Mehrmals habe ich mich mit Israelis und Palästinensern unterhalten. Die Mehrheit will einfach nur in Frieden leben, versucht im Alltag Gedanken an den Krieg auszublenden. Dennoch habe ich den Eindruck gewonnen, dass der Krieg die Denkmuster in den Köpfen beider Lager noch einmal stark radikalisiert hat. „Lasst uns sie bombardieren bis kein Haus mehr steht“, sagte mir ein junger Israeli über die Palästinenser. Doch wer mit Leuten in der Westbank spricht, bekommt auch ein Gefühl dafür, wie schwer es für sie ist,  unter den aktuellen Bedingungen den Alltag zu meistern und die Familie zu ernähren. 

Durch den Konflikt ist der Tourismus in den palästinensischen Gebieten fast komplett zum Stillstand gekommen. Dabei lebt das wirtschaftlich sowieso angeschlagene Volk zu weiten Teilen von den Devisen der Touristen. Ayoub, ein palästinensischer Taxifahrer sagte mir: "Wir können hier nur überleben, wenn wir als ganze Familie füreinander sorgen." Hast Du noch Hoffnung, dass es irgendwann doch noch den großen Frieden gibt, fragte ich ihn zum Abschluss. „Nein“, sagte Ayoub, „dafür ist einfach schon zu viel Blut geflossen.“

Die Familie bildet auch in Jordanien, das mehrheitlich von Palästinensern bewohnt wird, das Herzstück im Alltag. Momentan befinde ich mich in Amman, der Heimatstadt meines Vaters. Eins vorneweg: Es ist ein großes, großes Wunder, dass in diesem Land tatsächlich noch Frieden herrscht. Jordanien ist noch immer diese kleine Friedensoase inmitten von Nachbarländern, die alle in Gewalt und Terror versinken. IS, hier Daesch genannt, soll in den letzten Wochen einige Male versucht haben, in das Land einzudringen. Bislang ohne Erfolg. Lasst uns hoffen, dass das so bleibt.

Es ist schön, nach all den Jahren meine Familie wiederzusehen. In keinem Land der Welt wurde ich bislang so herzlich empfangen wie hier. Auch wenn die Leute sehr wenig haben, teilen sie es mit Dir. Doch wie lange kann das alles noch gut gehen? Die meisten Jordanier sind zunehmend frustriert und depressiv angesichts der finanziellen Lage im Land.  Die Menschen leiden stark unter dem krassen Missverhältnis zwischen Einkommen (durchschnittlich rund 300-350 Euro/Monat) und den Preisen für Lebensmittel und Miete/Strom. Es gibt im Land jeden Freitag bereits erste Proteste. Bislang beteiligen sich nur Hunderte. Doch geht die Entwicklung so weiter, ist es nur eine Frage der Zeit, bis es zum großen Aufstand kommt.

Vorgestern habe ich Birgit Gassmann zum Interview getroffen, die seit 25 Jahren eine Einrichtung für Behinderte in Amman leitet und letzte Woche mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. Beeindruckende Frau. Beeindruckendes Projekt. Sobald die Reportage in einer Zeitung erscheint, gebe ich Euch Bescheid.

Schöne Grüße aus Amman!



Besuch in der gigantischen Felsenstadt Petra in Jordanien. 















 The Beatles in Jerusalem.
Grenzerfahrungen. Westbank. Make hummus, not walls. 
 Out of this world. Felsenstadt Petra.
Interview mit Birgit Gassmann.

Dienstag, 29. Juli 2014

DM in Ulm

Am Wochenende habe ich von der Deutschen Meisterschaft in Ulm berichtet. Erkenntnis: Leichathletik kann ALLES. Stars ohne Allüren, die völlig bodenständig und offen mit Dir reden. Keine nervigen PR-Berater. Ein Superstar, Robert Harting, der drei Stunden lang Autogramme schreibt und mit Fans redet. Ein neuer deutscher Rekord über 100 Meter von Julian Reus. Und ernsthafte Debatten über ECHTE Themen (#gauchogate) wie die Teilnahme des Prothesen-Springers Markus Rehm.

Fazit: Großes Spektakel für kleines Geld. So, und nicht anders, kann Sport + Journalismus funktionieren.




Mittwoch, 16. Juli 2014

Mein bester Freund, der Fußballschuh

Das irre Rennen um Kunden, Marktnischen und das perfekte Ballgefühl

In den letzten Monaten habe ich einige größere Beiträge und Reportagen für Magazine und Zeitungen geschrieben. Unter anderem habe ich ich für das "im Spiel"-Fußballmagazin lange recherchiert, was denn den perfekten Fußballschuh ausmacht. Ein Spezial zur Weltmeisterschaft. Mit Hintergrundinformationen zum Wettrüsten der Sportartikelhersteller und Interviews mit führenden Schuh-Wissenschaftlern:



Markus Stolla, Ex-Profi, Schuh-Purist und Entwickler des Fußballschuhs "Retro Star": 
 „Die meisten Profis laufen heutzutage wie kleine Kinder über den Rasen. Männer in rosa Plastikschühchen? Ich finde das einfach nur unmännlich. Das ist wie kleine Jungs, die mit Barbie spielen.“ 
 Ewald Hennig, einer von Deutschlands führenden Fußballschuh-Forschern:
„Die Spieler glauben nicht daran, dass der Schuh ihre Schussgenauigkeit verbessern kann. Doch das könnte er. Wenn der Druck im Schuh gleichmäßig verteilt ist, schießt man auf jeden Fall präziser. Doch dafür müssten erst spezielle Technologien entwickelt werden.“  

Zu finden am Kiosk um die Ecke: Der Artikel aus dem "im Spiel"-Magazin (sechs Seiten)

Montag, 14. Juli 2014

Wir.sind.Weltmeister.

Das letzte Kapitel ist geschrieben. Wir. sind. Weltmeister. Was für ein unfassbar-fantastisches Gefühl. Unsere Sehnsucht war riesig. 24 Jahre lang mussten wir warten. Immer wieder hatten wir unsere Hand schon am Pokal. Immer wieder hat uns ein Anderer das Ding wieder aus der Hand gerissen. Ronaldo, Grosso, Torres, Balotelli. Dunkle Schatten der Vergangenheit. Jetzt stehen wir ganz oben und alle gucken auf uns. Endlich.

Unsere Jungs haben ein berauschendes Turnier gespielt. Sie haben uns alles geboten. Zum Auftakt die Gala gegen Portugal. Danach der Fight gegen Ghana. Im Achtelfinale die Achterbahnfahrt gegen Algerien. Im Halbfinale dieses epische Spiel für die Geschichtsbücher. Und gestern das Spiel für die Ewigkeit. Danke.

Das Team hat den besten Fußball dieser WM gezeigt. Dominant. Leichtfüßig. Schnell. Dazu haben wir Herz und absolute Leidenschaft bewiesen. Der blutende Häuptling Schweinsteiger: ein Bild von vielen, das in unseren Köpfen bleibt. Für immer.

Es ist auch Joachim Löws großer Triumph. Was musste der Mann in den letzten Monaten einstecken. Höwedes als Linksverteidiger? Özil von Beginn an? Löw vertraute seinen Spielern, blieb seiner Linie treu. Und behielt recht. Respekt.

Wir sollten auch an die Spieler denken, die diese Weltmeisterschaft verpasst haben. Die Benders. Der unglaubliche Marco Reus. Ilkay Gündogan. Oder auch Mario Gomez. Auch Euch gehört dieser Titel. Ihr kommt alle wieder zurück. Wir brauchen Euch in Zukunft.


Lasst uns einfach den Moment und das Gefühl genießen. Noch einmal, weil es so schön klingt: Wir. sind. Weltmeister.

Samstag, 7. Juni 2014

Auf einem Bein durch die Hölle



Extremlauf: Der Franke Michael Kilian läuft das Braveheart Battle mit einer Spezialprothese



Nach einem tragisch-verrückten Verkehrsunfall im Jahr 2003 schwebte Michael Kilian in Lebensgefahr und verlor seinen rechten Unterschenkel.  Der 43-Jährige hat sich zurück ins Leben gekämpft – und Anfang März beim Extremlauf Braveheart Battle im fränkischen Münnerstadt teilgenommen. Eine Reportage. 

Von Ibrahim Naber

Münnerstadt. Den 6. Juni 2003 wird Michael Kilian nie vergessen. Es ist der Tag des großen Unglücks. Seines großen Unglücks. Als der damals 32-Jährige an jenem Morgen in seinen Traktor steigt, kann er nicht ahnen, dass die folgende Fahrt sein Leben verändern wird. Kilian ist wie unzählige Male zuvor in seinem 4300-Einwohner Heimatort Güntersleben (Lkr.Würzburg) unterwegs, um Materialien für den familiären Landwirtschaftsbetrieb abzuholen. Nach kurzer Fahrt parkt er seinen Bulldog am Straßenrand. Kilian beginnt Maurerdielen auf seinen Anhänger zu laden. Eine Alltagssituation. Unspektakulär und ungefährlich. Eigentlich. Doch dann passiert das bis heute Unbegreifbare: Ein Auto knallt von hinten frontal in den Anhänger rein. Kilian, der sich zwischen seinem Anhänger und dem Auto befindet, hat keine Chance mehr zu reagieren. Er wird durch die Wucht des Aufpralls in die Frontscheibe des Unfallverursachers geschleudert. Eine scharfe Eisenkante des Anhängers trennt seinen rechten Unterschenkel dabei ab wie ein Messer die weiche Butter.
Kilian erinnert sich: „Ich lag so auf der Motorhaube des Autos, dass ich meine Beine gar nicht sehen konnte. Ich schrie nur: ‚Hilfe! Mein Bein ist gebrochen! Das tut höllisch weh! Hilfe!’“

Man mag es kaum glauben: Der über 60-Jährige Unfallverursacher ist zum Zeitpunkt des Unglücks selbst Prothesenträger. Auch er wohnt in Güntersleben, kennt Kilian und dessen Familie persönlich. Er gehörte zuvor zur Weinkundschaft Kilians, seine Tochter ging mit Kilians Bruder in dieselbe Schulklasse. Beim Unfall leistet der Senior erste Hilfe, wählt dann die 112. Die örtliche Feuerwehr eilt herbei. Es sind die Jungs von Kilians Einsatztruppe. Sie sehen, wie ihr Kamerad blutend daliegt und schließlich von Notärzten behandelt wird. Kilian wird ins Krankenhaus eingeliefert. Im Glauben, dass sein Bein lediglich gebrochen ist. Im Unwissen, dass sein Leben in großer Gefahr ist.

Münnerstadt, Unterfranken, 3928 Tage später. Michael Kilian steht im Startpulk der rund 2800 Läufer des Braveheart Battles 2014. Auch in diesem Jahr eine kuriose Ansammlung von Männer und Frauen zwischen 17 und 66 Jahren. Einige Läufer sind verkleidet, tragen Schottenröcke oder schlichtweg knappe Superman-Unterhosen. Auch ein paar Schlümpfe sind dabei. Kilian wirkt in seinem neongelben Outfit tiefenentspannt. Kurz zuvor hat er mit seinen Laufbegleitern Birgit und Alfred noch ein Glas Wein getrunken. „Schoppen“, wie Kilian sie nennt. Jetzt macht er Späße mit anderen Läufern, lacht und strahlt wie die Sonne am Himmel. Knapp 15 Grad hat es an diesem Morgen. So warm war es in den letzten Jahren nie. Es ist Kilians dritte Teilnahme. Er weiß mittlerweile, auf was er sich da einlässt. Weiß, dass er sich auf seine 8500 Euro teure  Spezialprothese aus Aluminium und Carbon verlassen kann, die sein rechtes Bein ziert. Plötzlich ein kollektives Niederknien. Andächtige Stille. Organisator Joachim von Hippel, ein ehemaliger Soldat, ruft mit dem Braveheart-Gebet die Grundtugenden des Laufes in Erinnerung - Tapferkeit und Mut. Die Läufer strecken ihre Fäuste gen Himmel und johlen. Dann ist es so weit. 28 Kilometer, 50 Hindernisse und mehr als 1000 Höhenmeter: Die Läuferhölle öffnet ihre Tore. 



Dabei beginnt der Lauf vergleichsweise harmlos. Auf den ersten Kilometern sind kleine Barrikaden und ein Waldanstieg zu erklimmen, die ersten kleinen Gewässer zu durchwaten. Kilian und seine Begleiter walken die gesamte Strecke in zügigen Schritten. Denn Joggen ist für Kilian nur noch sehr eingeschränkt möglich. Bei Kilometer vier wartet das erste Highlight. Vorsichtig wagt sich das Trio um Kilian in die vollkommene Dunkelheit unterhalb einer Brücke. Künstliche Nebelschwaden machen die Sicht unmöglich. Langsam tasten sich die drei weiter. Durchqueren gemeinsam den Bach, der auf einmal in der Dunkelheit auftaucht. Bis schließlich wieder Sonnenstrahlen am Ende des Tunnels erkennbar werden.

Als Kilian nach seinem Umfall  ins Krankenhaus eingeliefert wird, ist ihm bereits vollkommen schwarz vor Augen. Er hat das Bewusstsein bereits an der Unfallstelle verloren, wird auf der Intensivstation behandelt. Von nun an befindet er sich im künstlichen Koma. Über zwei Liter Blut hat er an der Unfallstelle verloren. Sein Leben steht auf dem Spiel. Es werden vor allem für seine Familie zwei quälende Wochen der Ungewissheit und Sorge. Doch Kilian kämpft sich zurück. Auch, weil er dank seiner ehemaligen Arbeit beim Bundesgrenzschutz gut trainiert ist. Schließlich  erwacht er aus dem Koma. Dann der große Schock: „Als ich aufgemacht bin, habe ich sofort gemerkt, dass ich mein Bein verloren habe. Das war einfach nur schlimm“, sagt Kilian. Es wird ein harter Weg zurück ins Alltagsleben für ihn. Kur. Reha. Das volle Programm. Es steht zunächst offen, ob er überhaupt jemals wieder laufen kann. Kilian: „In der Anfangszeit nach dem Unfall bin ich schon richtig auf den Arsch gefallen. Ich wusste: Das Rad dreht sich weiter, mit mir oder ohne mich. Ich habe gelernt, dass man einfach nur Gas geben muss. Dann kann man wieder fit werden“. Er schafft es. Zwei Jahre braucht der Franke, um wieder Muskeln aufzubauen und „richtig auf den Dampfer zu kommen.“

Kilometer fünf beim Braveheart Battle. Über eine sechs Meter hohe Strohwand kraxeln Kilian und seine Begleiter in die Altstadt von Münnerstadt. Die einzige längere Teerpassage überhaupt. Es ist quasi ein Heimspiel für Kilian. Jede 50 Meter ein neuer „Micheeeeeel“-Ruf der Zuschauer. Sie kennen ihn fast alle. Von den Teilnahmen im letzten Jahr. Von den vielen Weinproben, die der Hobby-Winzer in der Region regelmäßig organisiert. Und auch durch seine Frau, die aus Münnerstadt kommt und beim Braveheart Battle seit Jahren die Startnummern verteilt. Auch seine Töchter, Elen (16) und Klara (14), feuern ihren Vater an und reichen ihm immer wieder Trinken und Energieriegel. Kilian ist, wenn man so will, der heimliche Star des Laufes. Auch unter den Läufern. „Respekt!“ ist das Wort, das ihm seine Mitstreiter an diesem Tag zigfach anerkennend zurufen. Kilian genießt die Anerkennung sichtlich. Die Frohnatur hört an diesem Tag gar nicht mehr auf zu strahlen.



Nach der Passage durch die Stadt ist die Aufwärmphase endgültig vorbei. Zunächst warten mehrere metertiefe Matschgruben auf die Läufer. Die Schlammlöcher sind so klitschig und nass, dass sie ohne Hilfe anderer Läufer nicht zu bewältigen sind. Ein Umstand, der den Geist des Braveheart Battles ausmacht. Ein Jeder hilft hier dem Anderen.
Kilian baut eine Räuberleiter mit seinen Händen, wuchtet  drei Läufer nacheinander aus den Gruben heraus. Dann packt ihn ein anderer Läufer an seiner Prothese und schiebt ihn den Matschhang hoch. Geschafft.
Im Anschluss geht es bergauf. Und wie. Serpentinenartig für jeweils 400 Meter die Wälder hoch und runter. Es ist das L'Alpe d'Huez des Braveheart-Battles. Kilian stapft hinter Hunderten anderen Läufern schnaufend die Wälder hoch. Das haben sie zu dritt in den Wochen zuvor trainiert. Zuhause in Güntersleben, die eigenen Weinberge hinauf.

„Auf geht’s Alfred, auf geht’s. Die Uhr tickt“, animiert Kilian seinen Begleiter. Unter sechs Stunden wollen sie am Ende bleiben, das ist das Ziel. Wenig später erreicht das Trio "Loch Ness", den legendären Schlammsee, das Hindernis aller Hindernisse. 40 Meter durch das eiskalte Wasser der Lauer, wo man unter Kanus durchtauchen muss. Von allen Seiten Stöhnen, Prusten, Schreie des Leidens. Mit bibbernden Zähnen erreicht Kilian das andere Ufer, wo zahlreiche Läufer bereits von Sanitätern behandelt werden.

Der Akku ist bei den meisten Teilnehmern bereits im roten Bereich, als das letzte große Kriechhindernis bevor steht. Gut 50 Meter müssen robbend unter einem geladenen Elektrozaun zurückgelegt werden. Keiner hat es dabei so schwer wie Kilian. Der Prothesenträger kann nicht auf dem Bauch robben, muss sich seitwärts mit purer Muskelkraft den Rand entlangziehen. Bergauf.
Über Feldwege und Wiesen wankt das Trio dem Ziel entgegen. Der letzte Berg, "Killing Hill", mit 45 Grad Steigung, verlangt ihnen noch einmal alles ab. Dann winkt endlich das Ziel. Auf der finalen Runde durchs Stadion wird Kilian frenetisch empfangen. Der letzte Blick auf die Stoppuhr verrät: 5 Stunden, 49 Minuten. Michael Kilian hat es wieder einmal geschafft. Den Ritt durch die Hölle Münnerstadts. Das Unglück vom 6. Juni 2003 wieder ein Stück weiter hinter sich zu lassen. 































Die Reportage im RUNNING-Magazin.

Donnerstag, 1. Mai 2014

Finale dahoam

Champions League//Halbfinale: Mein ganz persönlicher Spieltagsrückblick

Ramos a la Playa: Bayern kann für Ende Mai den Strandurlaub in Brasilien buchen. Was für eine königliche Wiesn-Tracht Prügel. Real zerlegt München wie einen IKEA-Schrank auf Schalke. 0:4.

Ribéry watscht Paul Breitner mit einer Respektschelle ab. Claus Kleber wünscht 10 Millionen Deutschen eine spannende zweite Halbzeit (außer Jochen Breyer). 30 000 Bayern-Fans holen nach 70 Minuten ihr Feierabend-Bier. Und Uli Hoeneß weiß: Besser spielt die Knastauswahl der JVA auch nicht jeden Sonntag.

Chelsea und Bayern verabreden sich wie 2012 zum Finale dahoam. Vor der Glotze. Die Costa Concordia geht auch in London nicht unter. Atletico rast im VW Turan nach Lissabon. Laut Marcel Reif ist dort sogar das Triple möglich. Meisterschaft. Champions League. Und Tippkick-Weltmeister. Hala, Madrid!

Donnerstag, 10. April 2014

Die Bibel und der Fußball

Champions League: Mein ganz persönlicher Spieltagsrückblick

Was für ein Knaller: Patrice packt die Peitsche aus und versohlt den müden Bayern-Hintern. Sogar Adam feiert seine Evra nach diesem Tor. Doch dann erwacht der schlafende Riese. Mandzukic mit dem Köpfchen. Müller mit dem Schienbein. Und Robben mit Trick 17. Der Geisterblock bebt. Auf München wartet nun das Halbfinale und auf Moyes der Ballermann.

Dortmund verzaubert Fußball-Europa. Was der BVB gegen Real abbrennt, ist brenomenal. Ronaldo weint, doch das reicht nicht. Die Mücke will einfach nicht stechen. Zyniker sagen: Jesus konnte Blinde heilen - und dann kam Henrikh Mkhitaryan. Ibrakadabra sagt: Danke, Dortmund! Ihr wart sensationell!

Der Messias spielt auch in Madrid Verstecken. Dieses Mal macht das ganze Team mit. Atletico spielt trotz Dauerlatte wie entfesselt. Koke mit dem goldenen Tor. Der FC Barcelona ist nur noch auf der Playstation die Nummer eins.

Paris ist ohne seinen Fußballgott hilflos. Ohne Zlatan ist PSG ein zahnloser Tiger. Mainz und Hoffenheim schießen Chelsea ins Halbfinale. Und „The happy one“ behält wieder einmal Recht.

Mittwoch, 2. April 2014

Isco. Isco. Party! Party!

Champions League//Viertelfinale: Mein ganz persönlicher Spieltagsrückblick

Isco. Isco. Party! Party! Die Königlichen schießen sich in einen schwarz-gelben Rausch. Bale ext seinen Wodka-Enery in 176 Sekunden. Piszczek und Mkhitaryan servieren anschließend den Champagner. Der BVB stößt auf diesem Level an seine Grenzen wie Russland.

Veni. Vidi. Vidic. Manchester schockt die Handball-Abteilung der Über-Bayern. Doch der Chef kontert. Schweini trifft zuerst das Tor und dann den Knöchel Rooneys. Platzverweis.  „You dirty Schwein!“ Englands Presse beleidigt den bayerischen Bein- und Herzensbrecher. Guardiola schlägt auf der PK zurück. „Look at me!“ – schau mer mal! (von Lothar Matthäus übersetzt)

Atletico furios: Ohne Costa läuft Diego heiß. Sein Tigerschuss trifft mitten ins Herz der Katalanen. Ter Stegen platzt vor dem Fernseher vor Wut wie sein Wechsel im Sommer. Messi spielt eine Runde Verstecken im Camp Nou. Iniesta findet Neymar. Und der den Weg ins Tor.  

Drei Liebesküsse für „The happy one“ in Paris. Und ein Pferdekuss für Ibrahimovic. Auch ohne Ibra zlataniert PSG den FC Chelsea. Pastore vernascht die Londoner Abwehr wie einen Kinderriegel. 3:1.      



Mittwoch, 5. März 2014

FCB und BVB einigen sich auf Kooperation

Fußball: Supertalent Gündogan verstärkt die Bayern

Paukenschlag in der Fußball-Bundesliga: Der FC Bayern München und Borussia Dortmund haben sich vertraglich auf eine langfristige Kooperation geeinigt. Das 108-seitige Vertragswerk der einstigen Erzrivalen liegt Ibrakadabra exklusiv vor. Im Kern wurden drei zentrale Vereinbarungen getroffen:

1.) Der BVB wird rückwirkend zum 23.04.2013 ganz offiziell das neue Jugend- und Ausbildungsinternat des FC Bayern München. Eine mögliche Verbindung des gewählten Zeitpunkts zum Wechsel von Mario Götze dementierte Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge vehement: „Das ist absurd. Humbug. Gegen diese Verschwörungen werden wir juristische Schritte einleiten.“

2.) Das Ausbildungsabkommen sieht vor, dass sich der FC Bayern pro Jahr die zwei besten Spieler der BVB-Akademie aussuchen und verpflichten darf. Zur kommenden Saison plant der FCB die Verpflichtung des türkischen Supertalents lllkay Gündogan. Gündogan soll endlich Stabilität in das chronisch schwache und unterbesetzte defensive Mittelfeld der Bayern bringen.

3.) Im Gegenzug erhält der BVB unbegrenzten Zugriff auf die Geld- und Goldreserven sämtlicher Schweizer Privatkonten von Ulrich Hoeneß: „Dieses Angebot konnten wir einfach nicht ausschlagen“, sagte BVB-Boss Hans-Joachim Watzke.

Uli Hoeneß sieht in dem Deal einen Vorteil für die ganze Liga: „Endlich keine spanischen Verhältnisse mehr in der Bundesliga! Das ist einfach ein Traum!“

Donnerstag, 20. Februar 2014

Bayers Chabos wissen, wer der Babo ist

Champions League: Mein ganz persönlicher Spieltagsrückblick

Bay, bay, Champions League! Leverkusens Chabos wissen seit Dienstag, wer der Babo ist. Ibrakadabra zlataniert die BayArena. Zwei Tore, eine Vorlage – der Schwede ist der Endboss auf dem Platz. 30 000 Zuschauer schlucken bereits zur Halbzeit ihre dritte Aspirin. Dennoch: Die Kopfschmerzen bleiben.

Kopfschmerzen auch in Manchester. Ein Messi verwüstet die City. Der kleine Filou aus Barcelona beweist, dass große Spieler auch als Gefoulte den Elfmeter selbst schießen dürfen. 0:2 nach 90 Minuten – ManCity kann im Rückspiel nur noch ein kleines Wunder retten.

Kroos-Alarm in London. Tonis Fußgelenk verzückt die Welt. 172 Ballkontakte, 97 % angekommene Pässe und ein Tor der Marke „Durex – extra sensitive“. Das reicht sogar beim FC Bayern für einen neuen (befristeten) Vertrag. Die „Bestia Negra“ verschlingt Arsenal mit 2:0. Häme für Özil und Rot für Kung-Fu-Szczesny. Arsenals Chancen auf das Viertelfinale tangieren Richtung minus unendlich.

Die Costa Concordia erreicht Mailand. Kapitän Diego Costa führt Atletico zum Auswärtserfolg gegen den AC Berlusconi. War das etwa Costas Bewerbungsschreiben für Jürgen Klopp?

Ich wünsche euch einen entspannten Tag, Freunde!

Mittwoch, 19. Februar 2014

Mesut Özil: Der Teilzeit-Magier


Mesut Özil ist ein begnadeter Fußballer. Ein Stratege auf dem Platz, ein Magier. Doch ganz große Spieler müssen vor allem in den ganz großen Spielen heiß laufen. Diesen Beweis ist Özil bislang schuldig geblieben. Die Zeit des Versteckens muss ein Ende haben. Will Arsenal gegen Bayern heute gewinnen, muss sich Özil endlich beweisen. 

Von Ibrahim Naber

Cristiano Ronaldo adelte ihn als die „beste Nummer 10, die Real haben konnte.“ Die englische Presse taufte ihn nach seinem Wechsel von Real Madrid zu Arsenal London schon nach wenigen Wochen zum „Zauberer von Öz“. Zuschauer, Trainer und Journalisten sind sich einig: Mesut Özil ist einer der talentiertesten Fußballer dieses Planeten. Er hat diese einzigartige Gabe, den Rhythmus eines Spiels zu bestimmen. Sein Taktstock ist sein linker Fuß. Seine gefährlichste Waffe ist sein Passspiel. Özil spielt Pässe, die Abwehrbollwerke sprengen können. Er findet Lücken in der gegnerischen Abwehr, die eigentlich gar keine sind. Er hat ein Timing in seinem Passspiel, von dem 99 % aller Männer nachts im Bett träumen.

Kurzum: Mesut Özil kann mit seinem Genie an Sahnetagen Spiele alleine entscheiden. Das hat er schon oft bewiesen, auch bereits in London. Doch wenn Özil eine Gala auf den Rasen zaubert, dann heißen die Gegner in der Regel Stoke City, Norwich oder auch Cardiff City.

In den ganz großen Spielen gegen die ganz großen Gegner blieb Özil in den letzten Jahren allzu oft blass. Er versteckt sich und sein Genie. Nutzte ausgerechnet die große Bühne für seine kreativen Pausen. Unzählige Male war genau das im Derby aller Derbies, im El Clasico, zu beobachten. Auch in den großen Spielen in dieser Saison beim 0:1 gegen Manchester, beim 3:6 gegen ManCity und nicht zuletzt beim 1:5-Debakel gegen Liverpool wirkte Özil plötzlich nur noch wie einer von zehn anderen Verlierern seines Teams. Schlimmer noch: Gegen Liverpool leitete er zwei Gegentreffer mit eigenen Fehlern ein. Auch die englische Presse rückte von ihrem selbst titulierten Magier ab. Der Independent kam zu dem Urteil: „Özil ist einer der besten Spieler der Welt, wenn seine Mannschaft 2:0 führt, aber wenn es andersherum steht, sollte man ihn besser nicht im Team haben.“

Kritik, die gesessen hat. Kritik, die auch zu Mesut Özil durchgedrungen ist. Zlatan Ibrahimovic und Lionel Messi haben gestern Abend erneut bewiesen, dass sie in den großen Spielen zu Höchstform auflaufen. Wenn Arsenal heute gegen Bayern ein kleines Wunder schaffen will, dann brauchen sie Özils Magie. Dann brauchen sie einen Spielmacher, der endlich jedem mit aller Macht zeigen will, dass er einer der besten Fußballer der Welt ist. Noch kann es Mesut Özil allen beweisen.

Sonntag, 16. Februar 2014

Der ganz normale Bundesliga-Wahnsinn// 21. Spieltag

Tatort: Bundesliga 
  Mein ganz persönlicher Spieltagsrückblick:

Was für eine Demütigung: Dreimaliger Kum-Shot ins Gesicht des HSV. Lasogga trifft wie einst Horst Hrubesch, van der Vaart randaliert unter der Dusche, Adler patzt doppelt und schickt van Marwijk nach Abpfiff ins Kreuzerverhör. Der HSV ist seinen Holländer los wie die Schweiz bald ihre Ausländer. Doch die Sorgen bleiben. Rettet jetzt Marietta Slomka den Liga-Dino?

Auch Stuttgart ist nach dem peinlichen 1:4 gegen Hoffenheim endgültig aus dem Schneider. Ausgerechnet der Ex-Stuttgarter Schipplock zieht die Schwaben dabei mit zwei Treffern durch den Cacau.
Lars Bender patzt – und Goretzka kürt sich mit seinem Lupfer beim 1:0 zum frechsten Abiturienten Deutschlands. Der Hunter bringt die Entscheidung – Schalke schlägt Leverkusen mit 2:1.

Bremens Lukymina dreht ein weiteres Bewerbungsvideo für „Upps, die Pannenshow“. Kunstschütze Obraniak rettet seinen Teamkollegen – und Bremen einen Punkt gegen Gladbach. Mainz müllert sich weiter Richtung Europa, während der Tayfun in Hannover abgeflaut ist. Der BVB zerstört Frankfurt wie Sebastian Edathy die Karriere von Hans-Peter Friedrich. Doppelter Aubameyang und Milas Jojic kennt nach nur 17 Sekunden die ganze Liga.

Spiele der Bayern sind aktuell so spannend wie eine Folge „Die schönsten Bahnstrecken Deutschlands“. Guardiola lässt vor dem Spiel deswegen „Schere, Stein, Papier“ um die Aufstellung spielen. Shaqiri gewinnt, trifft doppelt und verletzt sich. Jetzt wartet Arsenal.

Der Franken-Express ist weiter auf der Überholspur: Drmic (wer auch sonst) sichert dem FCN drei Big Points gegen Augsburg. Zum Abschluss des Spieltages gewinnt VW das Kräftemessen mit der Bahn. Aus 0:1 mach 2:1 – Bum-Bum Caligiuri lässt Wolfsburg gegen die Hertha jubeln.

Ich wünsch euch allen eine königliche Woche!

Sonntag, 26. Januar 2014

Kindergarten Weltfußball: Mesut, Gareth, Cristiano und der kleine Lionel

Mesut kuschelt mit anderen Mädchen. Cristiano ist eifersüchtig auf Gareth. Real-Präsident Perez ruft die Super Nanny an. Und der kleine Lionel will auch mitspielen. Wilkommen im Kinderparadies Weltfußball! 



Ibrahim Naber


Real Madrid verkauft den Mesut für 50 Millionen Spielgeld nach London. Begründung von Real-Präsident Perez: "Der Mesut hat in der Nacht immer mit fremden Frauen gekuschelt!".
Als Ersatz für den türkischen Frauenversteher Mesut, hat sich Real jetzt den walisischen Außerirdischen Gareth gekauft. Der ist noch immer mit seiner Jugendliebe zusammen und kuschelt angeblich gar nicht mit anderen Frauen. Deshalb ist Gareth auch so teuer. 100 Millionen Spielgeld zahlt Real für ihn!

Das findet der Cristiano, portugiesicher Schauspieler und Stuntman, richtig doof. Er ist stinkewütend! Denn Cristiano selber hat vor ein paar Jahren bei seinem Wechsel zu Real nur 94 Millionen Spielgeld gekostet. Deshalb sagt der Perez jetzt allen, dass der Gareth doch nur 92 Millionen gekostet hat. Cristiano glaubt dem Perez das nicht. Er schmollt immer noch. Aus dem Grund hat der Perez am Samstag verzweifelt die Super-Nanny angerufen. Die hat dem Perez geraten, den Cristiano und den Gareth für ein paar Stunden zusammen in die Wuthöhle zu stecken. Den Vorschlag fand' der Perez aber wiederum blöd. Er setzt auf Zuckerbrot statt Peitsche: Damit der Cristiano wieder schnell glücklich wird, hat der Perez ihm jetzt sein Gehalt auf 17 Millionen Spielgeld pro Jahr erhöht. 17 Millionen Spielgeld, das sind mehr als 60 rote Spielzeugautos. Da lacht der Cristiano wieder.

Ganz im Gegensatz zu dem kleinen Lionel aus Barcelona. Der findet nämlich (zu Recht), dass er besser Fußball spielen kann, als der Cristiano. Und deswegen will er auch mehr Spielgeld bekommen, als der Cristiano. Damit auch der Lionel wieder ganz schnell mit einem Grinsen im Gesicht einschlafen kann, wollen sie in Barcelona jetzt auch das Gehalt ihres kleinen Wirbelwindes aufstocken: Auf 18 Millionen Spielgeld. Man munkelt, Cristiano ist stinkewütend.